Kommentar: Der Fall Guttenberg und die Facebook-Gutti-Fans

Ich habe mir vorgenommen zu diesem Thema nichts zuschreiben – man wird aber quasi dazu genötigt. Ich versuche, ganz ehrlich, sachlich zu bleiben, wenn auch die PRO-Guttis dies nicht sind.

Guttenberg belog, klaute, stritt ab, echauffierte Reporter (und damit die Öffentlichkeit), ruderte zurück – und erst nach massivem öffentlichen Druck durch immer mehr aufgedeckte Plagiatsinhalte, der Untersuchung der Uni und offenen Briefen von > 20.000 Professoren und Doktoranden, tritt er zurück – weil er es „nicht mehr aushält„, diesen ach so bösen Druck.

Zunächst einmal hätte Herr Guttenberg sich wohl besser einen anderen Beruf als Politiker gesucht, wenn er mit Mediendruck nicht umgehen kann. Davon abgesehen, er hat sich die Suppe gleichwohl selbst eingebrockt: Das Schlimme ist ja nicht einmal das Abschreiben, das viel Schlimmere ist in meinen Augen sein Verhalten (und das der Kanzlerin) danach. Da wird die Affäre heruntergespielt, als ginge es um nichts, ein Großteil des Volkes spielt auch noch mit: Wer hat denn nicht schon mal abgeschrieben, so der Tenor. Dass es sich bei einer Doktorarbeit nicht um eine Französisch-Klausur handelt scheinen viele der Gutti-Fans zu verdrängen. Dass man, wenn man abschrieb, dies meist im Wissen der Quelle, also der Personen, von denen man abgeschrieben hat, tat, ist wohl auch Nebensache. Herr Guttenberg wiederum hat nicht einfach nur „abgeschrieben“ – er hat anderer Leuts Werke und Arbeit mit voller Absicht ohne deren Kenntnis als sein eigen verkauft. Das nennt man nicht nur „Abschreiben“ – das ist Urheberrechtlich relevant, das ist Stillos, das ist das Schmücken mit fremden Federn – kurzum, das geht gar nicht.

Es ist unstrittig, dass Guttenberg bewusst abschrieb – so eine Menge an fehlenden Fußnoten kann nicht versehentlich eingeflossen sein. Vielleicht waren es aber auch seine Ghostwriter– wobei dies Spekulation ist, es ist fast nicht beweisbar, ob er selbst oder beauftragte Schreiberlinge die Arbeit zusammen trugen. Fakt ist:

Herr Guttenberg war oberster Befehlshaber der Bundeswehr. Verteidigungsminister. Als solcher ist er fast noch mehr der Ehrlichkeit verpflichtet als die Kanzlerin – es geht schließlich um das Leben unserer Soldaten, um Krieg und Frieden. Es gibt kein höheres Gut als Frieden und das Leben, somit ist sein Posten einer der wichtigsten überhaupt. Aber auch dies ist subjektiv, soll nicht Bestand der Diskussion werden. Objektiv ist folgender Umstand:

Bei Bundeswehr-Universitäten, deren „Chef“ Guttenberg als Verteidigungsminister ja war, werden Plagiatoren, Betrüger, hart angefasst: In München wurde z.B. 2008 ein Soldat degradiert, weil er bei einer Arbeit geschummelt habe. Sein Titel wurde zudem aberkannt. In besonders schweren Fällen – und der Fall Guttenberg kann wohl als solcher gewertet werden – gab es auch schon Geldstrafen. Das Vorgehen der Degradierung wurde im Übrigen vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Herr Guttenberg wollte sich um seine Verantwortung herumdrücken, mit Hilfe der Kanzlerin. Wenn es nach ihm ginge, sind eben beim Bund nicht alle Soldaten gleich – und der Herr Verteidigungsminister schon gar nicht. Seine Soldaten werden als Strafe Degradiert und müssen Geldstrafen zahlen, er selbst, als gepeinigter junger Familienvater der er ja war, sollte doch bitte geschont werden.

Ich weiß nicht, wieso diese ganzen GuttiFangruppen der Meinung sind, dieses Vorgehen wäre richtig gewesen, anstelle ihn zum Rücktritt zu „drängen“. Wäre er im Amt verblieben, hätte dies nur eine Aussage zur Folge gehabt, und das ist eine, die laut der Guttenberg-Jünger ja gerade durch ihn wiederlegt wurde:

 

„Menschen sind gleich, Soldaten sind gleich – Politiker sind gleicher, Gutti ist am gleichsten“.

Udo Vetter hat im „Law Blog“ dazu ein schönes Beispiel herausgesucht.

Es heißt doch, mit Guttenberg hätten wir nun so einen aufrichtigen, ehrlichen Politiker verloren, der endlich mal was „gerissen“ hätte in Deutschland. Wenn zu „was gerissen“ das hinwegsetzen über die eigenen Vorschriften zählt – okay, das wusste ich nicht.

Bei Facebook schreibt ein Freund:

ich stehe zu zu guttenberg.er war endlich,unter anderem,auch nen Politiker mit dem bab Deutschland präsentieren konnte.

Zählen Auftritte mit Kerner & Frau in Glanz und Glamour, zur Sorte „Deutschland angemessen präsentieren“? Oder war es doch seine Erklärung, die Plagiatsvorwürfe seien „abstrus“? War es seine Leistung als Verteidigungsminister? Eine Bundeswehr-Reform, die außer einer ausgesetzten Wehrpflicht, die wiederum viele soziale Einrichtungen vor offene, bis dato ungeklärte Probleme stellt, ist das das Synonym für „Deutschland positiv präsentieren“? Was hat er denn noch so geleistet, wenn die Frage erlaubt ist? Den Luftangriff bei Kundus aufgeklärt? Auch nicht wirklich. Gorch Fock? Den Kapitän auf Grundlagen der BILD-Berichterstattung bzw. derer Reporter suspendiert – wow. Afghanistaneinsatz? „Umgangssprachlich ein Krieg“ – soso. Umgangssprachlich. „Eier haben“ sieht anders aus.

Was hat er denn als Minister für Wirtschaft und Technologie so erreicht? Hmm.. Mal sehen… Er war der bisher jüngste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland. Und was tat er da so…? Verhandlungen mit GM, Quelle/Arcandor, HRE – alles irgendwie den Bach runter gegangen, überall war er beteiligt. Scheinbar doch keine Heldentaten.

 

Ach, HALT!

 

Er sieht gut aus!

 

Ich vergaß, bitte um Entschuldigung. Er ist unser Vorzeige-Exminister mit dem schönen Haar und der glamourösen Ehefrau. Und im Übrigen, einem recht ansehnlichen Familienvermögen, wovon einiges über Umwege auch an die Universität ging, die ihm den Doktortitel verlieh. Ein Schelm wer…

Liebe Guttenberg-Fans – Ihr könnt trotz seines asozialen Verhaltens natürlich weiter an KTG festhalten, ihn toll finden, aber bitte, argumentiert doch mal. 80% der FB-Anhänger, da bin ich mir sicher, können nicht EINE Leistung nennen, die er erbrachte, mit der in Deutschland etwas außergewöhnliches in Gang gebracht wurde (an der nicht noch zig andere Mitarbeiter, Wissenschaftler, Wirtschaftsexperten, Kanzleien beteiligt waren). Und bitte, wenn Ihr auf die Straße gehen wollt, dann für Dinge wie sozialerer Umgang miteinander, bessere Bildung, Mindest- oder höhere Löhne – aber doch nicht für so einen ins Amt gehobenen Herr von und zu Guttenberg, der eine Doktorarbeit abschrieb, log, betrog und sich um Kopf und Kragen brachte.

 

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