Ist es nicht fein? Was ein feines Geschenk zu Weihnachten, manch einer hätte sich kaum etwas Besseres wünschen können!
In seiner Plenarsitzung am heutigen Freitag hat der Bundesrat das nur unerheblich geänderte „BKA Gesetz“ endgültig durchgewunken. Nun ist es, so lange das Bundesverfassungsgericht nichts anderweitiges sagt, erst einmal offiziell: Auch Ärzte, Journalisten, Anwälte dürfen „online“ überwacht werden. Die wichtigsten Einzelheiten zur Novelle:
Gefahrenabwehr: Bislang sollte das BKA v. a. die Zusammenarbeit der Länderbehörden koordinieren. Das soll sich ändern: In der Präambel des Entwurfs heißt es: „Das Bundeskriminalamt erhält in bestimmten Fallgruppen die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus.“ Es soll also nicht nur wie andere Polizeien ermitteln, sondern Taten verhüten, die noch nicht begangen wurden. Schwerpunktmäßig soll alles abgewehrt werden, was länderübergreifend ist oder für das sich sonst niemand zuständig fühlt.
Nationaler Terrorismus: Hauptwaffe zur Bekämpfung des nationalen Terrorismus ist der hinlänglich bekannte § 129a: „Es [das BKA] kann im Rahmen dieser Aufgabe auch Straftaten verhüten, die in § 129a Abs. 1 und 2 des Strafgesetzbuches bezeichnet und dazu bestimmt sind, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen (…).“ Bisher konnte das BKA bereits in Ermittlungen nach §§ 129 ff einbezogen werden, nun kann es aber von sich aus ermitteln, sobald die Verdächtigten in zwei verschiedenen Bundesländern wohnhaft sind.
V-Leute: In den Polizeigesetzen der Bundesländer ist es nicht vorgesehen, dass Polizeien V-Leute anwerben dürfen, dies ist ausschließlich den Geheimdiensten vorbehalten. Nun heißt es in § 20g des Entwurfs: Das BKA dürfe als besondere Mittel der Datenerhebung Personen einsetzen, „die nicht dem Bundeskriminalamt angehören und deren Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt Dritten nicht bekannt ist (Vertrauensperson)“.
Rasterfahndung: Das BKA soll die vielfach kritisierte Praxis der Rasterfahndung in einer noch erweiterten Form einsetzen dürfen: Es darf auf Daten zurückgreifen, die die Privatwirtschaft („nicht-öffentliche Stellen“) gesammelt hat. Lediglich Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) dürfen ihre Datensätze für sich behalten.
Privater Kernbereich: Bisher müssen beispielsweise Tonbänder sofort abgeschaltet werden, wenn die Beamten Zweifel haben, dass sie beim Abhören diesen Bereich verletzten, also Zeugen privater Gespräche werden. In der Praxis bedeutet das, dass sie ständig neben dem Aufnahmegerät sitzen müssten. Die Wohnraum- bzw. Telekommunikationsüberwachung soll nun automatisch laufen dürfen. Problem: Es werden auch Inhalte aufgezeichnet, die mit der Verdächtigung nichts zu tun haben. Ausweg des Innenministeriums: Hinterher soll ein Richter entscheiden, ob die Bänder auch verwertet werden dürfen. Es wird also zunächst alles mitgeschnitten. Außerdem soll auch die Überwachung von Räumen gestattet sein, in denen die Verdächtigen regelmäßig verkehrt, also Räume unbeteiligter Dritter (§ 20h).
Zeugnisverweigerungsrechte: Mit den Änderungen des BKA-Gesetzes werden die Zeugnisverweigerungsrechte von Anwält_innen (solange sie nicht Strafverteidiger_innen sind), Ärzt_innen, Psychotherapeut_innen, Journalist_innen etc. erheblich eingeschränkt. Das BKA-Gesetz erlaubt es nämlich, die in dem Gesetz geregelten Maßnahmen, wie Hausdurchsuchung, Telefonüberwachung, Onlinedurchsuchung auch gegen die o. g. Geheimnisträger_innen anzuwenden, solange die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Damit droht der Schutz bestimmter Berufsgeheimnisträger_ innen und der Kommunikation zwischen ihnen und ihren Mandant_innen, Klient_innen, Patient_innen, Informant_innen etc. ins Leere zu laufen.
(Quelle: http://euro-police.noblogs.org/post/2008/11/12/bka-gesetz-neuerungen-im-detail )
Soweit die _alte_ Fassung des Gesetzes. Nach dem Vermittlungsausschuss kamen folgende faule Kompromisse zum Tragen, die am heutigen Tag den Bundesrat passiert haben:
GEFAHRENABWEHR: Zur Terror-Abwehr soll das BKA erstmals zur Abwehr von Gefahr durch den internationalen Terorismus vorbeugende Aufgaben übernehmen dürfen, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde eine Übernahme wünscht.
PRIVATER KERNBEREICH: Eine Überwachung muss unterbrochen werden, wenn der Kernbereich des Privatlebens betroffen ist. Aufzeichnungen, die diesen Bereich betreffen, sind unverzüglich zu löschen, Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden. Bestehen Zweifel, ob Daten diesem Bereich zuzurechnen sind, sind diese zu löschen oder dem anordnenden Gericht zur Entscheidung vorzulegen. Das Erfassen und Löschen von Daten muss dokumentiert werden. Welche Daten zum unmittelbaren Kernbereich gehören und deshalb nicht ausgewertet werden dürfen, entscheidet ein Richter. Zwei BKA-Beamte und der BKA-Datenschutzbeauftragte müssen sicherstellen, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht verletzt wird.
AKUSTISCHE UND OPTISCHE ÜBERWACHUNG: Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates, für Leib, Leben und Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert darf das BKA verdeckt Personen abhören und auch Bildaufnahmen machen. Dabei dürfen BKA-Ermittler auch in Kauf nehmen, dass Unschuldige ausgespäht werden.
EILKOMPETENZ: Diese Maßnahmen dürfen nur auf Antrag des BKA-Präsidenten, seinem Vertreter oder einem Gericht angeordnet werden. Ist Gefahr im Verzug, darf sofort gehandelt werden. Die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
RASTERFAHNDUNG: Das BKA kann von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus Dateien verlangen. Voraussetzung ist wiederum die Abwehr schwerwiegender Gefahren.
ONLINE-DURCHSUCHUNG: Das BKA darf ohne Wissen des Betroffenen in informationstechnische Systeme greifen und aus ihnen Daten erheben. Die Durchsuchung muss durch einen Richter angeordnet werden. Dies gilt auch in Eilfällen. Die Online-Durchsuchung ist bis 2020 befristet.
TELEKOMMUNIKATION: Das BKA darf ohne Wissen des Betroffenen dessen Telekommunikation überwachen. Es darf Daten über Verbindungen erheben und bei Mobilfunk den Standort des Gerätes ermitteln.
WOHNUNGSDURCHSUCHUNG: Unter bestimmten Voraussetzungen darf das BKA ohne Einwilligung des Inhabers dessen Wohnung durchsuchen.
GEHEIMNISTRÄGER: Das Zeugnisverweigerungsrecht wird eingeschränkt. So werden Journalisten, Ärzte und Rechtsanwälte mit Ausnahme von Strafverteidigern vom Zeugnisverweigerungsrecht weitgehend ausgenommen. Dagegen behalten Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger das volle Zeugnisverweigerungsrecht.
V-LEUTE: Das BKA darf künftig auch V-Leute für seine Ermittlungen einsetzen. Solche Methoden wurden bisher vor allem von den Geheimdiensten genutzt.
Quelle: ARD
Vielleicht hat der ein oder andere noch Korrekturvorschläge, dann bitte in den Kommentaren posten.
Ein schwarzer Tag für Deutschland. Ein schwarzer Tag für die Grundrechte.
Zu unser alles Glück haben bereits Oppositionsanhänger angekündigt, gegen das Gesetz Beschwerde beim Verfassungsgericht einzureichen. Auch die Telepolis-Autorin Bettina „Twister“ Winsemann schlägt diesen Weg ein. Bleibt zu hoffen, dass auch diesmal das Verfassungsgericht unsere Rechte schützen wird.
Im Übrigen frage ich mich, wieso immer öfter das BVG einschreiten muss – haben unsere Politiker nicht nur jedes Auge für Menschen- und Bürgerrechte, sondern auch das Fachwissen um unsere Rechte verloren?
2 Antworten zu „Bundesrat nickt BKA-Gesetz endgültig ab“
[…] Sorge: Geschützt sind Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete. Stimmungsbild: Bundesrat nickt BKA-Gesetz endgültig ab Jetzt sind wir alle verdächtig BKA-Gesetz ist leider […]
[…] an sich sowie die im «Kompromiss» enthaltenen Änderungen interessiert, kann sich hier noch weiter dazu informieren. Kommentar schreiben — Trackback URL RSS 2.0 Feed für die […]