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Silvester 2016 war aus Sicht der Behörden ein Erfolg (oder besser, kein Misserfolg). Es gab keine groß angelegten Übergriffe auf Frauen und die Nacht verlief so friedlich, wie das an Silvester eben zu erwarten sein kann. Die Sicherheit war in Köln und anderswo gewährleistet. Wie die Polizei in Köln das allerdings erreicht hat, ist zumindest teilweise fragwürdig.
Die Diskussion voller Empörung sagt alles – Emotionen und Gefühle. Die eine Seite, welche die Polizei sehr persönlich in Schutz nimmt, die andere Seite, die Kritik übt, berechtigt oder nicht. Beide beharken sich hoch emotional. Wir dürfen uns aber von diesen Gefühlen und Emotionen nicht den Blick auf die Fakten vernebeln lassen.
Zunächst sollte es außer Frage stehen, ob die Polizisten, die sich Silvester (oder zu anderen Gelegenheiten) im Dienst für die Bürger begeben, ihren Job an der Stelle gut gemacht haben. Es gab keine Ausschreitungen, keine „Massengrapscherei“ und viele (auch Nordafrikanische) Gruppen mit aggressivem Auftreten und zweifelhaftem Anliegen wurden teils schon in Deutz (1 Station vor Hbf) aussortiert. Soweit, so gut. Die Polizisten handeln auf Anweisung, der Masterplan für Silvester dürfte auf höchster erarbeitet und abgesegnet worden sein.
Es ist völlig in Ordnung und angebracht, den Polizisten vor Ort in Deutschland für Ihren Dienst zu danken. Nicht nur zu Silvester – grundsätzlich. Ich glaube, bis auf wenige Ausnahmen leben wir polizeilich recht angenehm und unbehelligt, die Polizei arbeitet meist nach Recht und Gesetz und macht gemessen an der Personalstärke meist einen guten Job!
Es gibt aber auch immer wieder mal Aussetzer von der Regel – siehe die S21 Demo. Hier konnte man die Polizisten direkt vor Ort mit in die Verantwortung ziehen. Das ist wiederum mit Köln nicht vergleichbar. Was ist zu diskutieren, was muss man auseinander halten?
- Es wurden agressiv auftretende, auffällige Gruppen und Einzelpersonen kontrolliert und aufgehalten
- Aber auch: einzelne Nordafrikanisch und Arabisch „aussehende“ Besucher am Bahnhofsausgang wurden separiert und festgehalten
- Andere (kaukasisch aussehende) Besucher wurden an der anderen Seite aus dem Bahnhof auf dem Vorplatz gelassen
- Es wurde nach äußerlichen Merkmalen (dunkelhäutig, arabisch) sortiert und kontrolliert
Vor-Ort Bericht von N24, Christoph Herwartz:
Was ist daran falsch?
Immerhin wusste man doch, dass von Nordafrikanischen Gruppen Ärger zu erwarten ist und IS Bomber sind ja auch meistens Arabisch-stämmig, liest man dann als Argumentation. Das ist so richtig, aber unvollständig.
Stell dir vor, du willst ein Museum besuchen. Dort wirst du schon an der Tür abgewiesen – vor einem Jahr hat eine Gruppe Personen heller Hautfarbe das Museum überfallen und dabei auch Menschen verletzt oder getötet. Aus Sicherheitsgründen wirst du festgehalten, bis das Museum schließt, weil du hellhäutig bist – so wie die Verbrecher.
Hier wurde also das Museum und Leib und Leben der dortigen Mitarbeiter geschützt, indem alle Personen, welche die Hautfarbe mit den Verbrechern teilen, festgesetzt und unter Generalverdacht gestellt wurden. Die gleiche Situation in anderem Zusammenhang erscheint abstrus, willkürlich.
Das sog. „Racial Profiling“ ist in Deutschland nicht explizit verboten. Unser Grundgesetz §1 und §3 befassen sich mit der Thematik, eine Gerichtsentscheidung oder ein spezifisches Gesetz darüber gab und gibt es aber meines Wissens nach noch nicht.
War das Verhalten der Polizei – die Kontrolle und das Festsetzen einzelner Personen nach Auswahl mittels Hautfarbe – nun gesetzeswidrig oder rechtfertigte die Erfahrung aus 2015 es? Ich persönlich glaube, dass die Polizei niemals, und sei der Grund noch so „gut“, gesetzeswidrig handeln darf. Wo fängt das an, wo endet es? Ab wann dürfte die Polizei denn dann gesetzwidrig handeln? Wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht? Zwei? Eine Vergewaltigung? Ein Diebstahl? Eine Drohung gegen die Kanzlerin? Die Frage ist ganz einfach nicht zu beantworten. Kein moralisches Dilemma, denn die korrekte Antwort muss lauten:
- Die Polizei muss sich immer nach besten Wissen und Gewissen an Recht und Gesetz halten, um selbiges durchzusetzen.
- Wie Gesetze interpretiert werden, ist im Zweifel Aufgabe der Gerichte zu entscheiden.
- Die Politik wiederum ist gefragt, wenn es darum geht, Gesetze anzupassen oder neue zu erlassen.
Als Bürger, Politiker, Mitglied der Gesellschaft, muss es erlaubt sein,das Handeln der Polizei, der Politik und auch der Gerichte bis in die letzte Instanz in Frage zu stellen. Ohne sich hinterher permanent einem empörten Mob gegenüberstehen zu sehen.
Wer denkt, die Polizei unser „Freund und Helfer“ mache immer alles richtig, nur weil der Job manchmal beschissen ist, der ist allenfalls ein gesellschaftlich romantischer Träumer. Derjenige, der fordert, Kontrollen hätten gar nicht oder bei allen den Bahnhof verlassenden Personen stattfinden müssen, denkt aber genau so an der Realität vorbei.
Mit der Richtigstellung von Simone Peter und ihrer Entschuldigung sollte die Sache gegessen sein. Ihre Forderung und Aussage war ein unbedachter Schnellschuss. Ich glaube auch nicht, dass die Polizei in Köln rassistisch gehandelt hat, noch gibt es dafür irgendwelche Beweise. Der Ausdruck „Nafri“ – Nordafrikaner, Nordafrikanischer Intensivtäter – hätte in der Tat genau sowenig verwendet werden dürfen, wie ich Bulle zu einem Polizisten sagen darf. War er rassistisch motiviert? Eher nicht. Aber respektlos? Ja, das kann man wohl festellen.
Wer jetzt noch sagt, die Polizei hätte ja nicht jede Eventualität planen können, dem seien die 11 Monate Vorbereitungszeit genannt. Man darf bei so einer langen Vorlaufzeit erwarten, dass es die Polizei schafft. aggressive Gruppen und Einzelbesucher vom harmlosen Feierwilligen zu trennen, ohne dass alle in ein Rudel getrieben und festgehalten werden.
Man sollte zu guter letzt wohl noch festhalten, dass Einsatzbereitschaft oder Aufopferungswille eine Tat nicht gut oder schlecht machen. Die Frauen und Männer der Polizei in Köln, Düsseldorf und anderswo haben sich ihren Job ausgesucht. Dennoch sollten wir dafür dankbar sein, dass es immer wieder diese Menschen sind, die sich zwischen uns und die Bedrohung stellen – manchmal wörtlich. Das heißt aber nicht, dass Kritik nicht geübt werden darf. Im Übrigen hätten sich manche Leute ihre Distanzierung von Frau Peter auch erst mal ruhig durch den Kopf gehen lassen dürfen, bevor sie hektisch per Tweet und anderswie Abstand nehmen. Das und das „Über-den -Klee“ loben der Polizei riecht und schmeckt nach Pre-Wahlkampf.
Was bleibt ist der positive Gedanke, dass wir einen funktionierenden Polizeiapparat haben. Der negative Gedanke, dass Kritik heutzutage nicht mehr geäußert werden kann, ohne sich dem Mob zu stellen. Das Wissen, dass auch die Social Media Experten der Polizei nicht unfehlbar sind. Und die Hoffnung, dass alle Beteiligten die passenden Lehren daraus ziehen.
Anhang:
- Simone Peter kritisiert Polizeieinsatz (und nennt „Nafri“ rassistisch)
- Simone Peter entschuldigt sich
- Vor Ort. Wie der Einsatz ablief
- Racial Profiling (Wikipedia)
- Politik lobt Polizei