[Update 30.05.10] Tauss verurteilt – Mein [ausführlicher] Kommentar

Inzwischen, ausgeschlafen und fit, habe ich mir den ein- oder anderen Bericht zur Verhandlung mal ausführlicher angesehen. Auch das gesamte Schlussplädoyer Tauss’s Verteidigers wie auch sein Pressestatement sind  aufschlussreich.

Jörg Tauss hat viel zu sehr darauf gedrängt, die Dateien ausschließlich zu Zwecken der Aufklärung erworben zu haben. Es entspringt den Fakten (!) dass mehr dahinter gesteckt haben muss als die bloße Recherche. Ich glaube kaum, dass Tauss ein Pädophiler ist, anders – umgangssprachlich – gesagt: Dass er auf kleine Jungen steht. Ich glaube aber ebenso wenig dass keinerlei privates Interesse im Spiel war. Mindestens die Neugierde, herauszufinden, wie viel Material sich noch sammeln lässt und wie weit das führen kann, steckte in meinen Augen dahinter.

Das Gericht hat hier ein sehr gut abgewogenes Urteil gefällt.

Tauss wurde nicht als Pädophiler abgestempelt, gleichzeitig aber hart für sein Vergehen, der Beschaffung kinderpornographischen Materials, bestraft. Wieso ging er mit seinen Ergebnissen nicht zur Polizei? Wieso weihte er niemanden ein, keinen Notar, keinen Anwalt, niemanden? Dies sind schon nicht unwichtige Fragen, deren leere Antworten am Ende gerechtfertigter Weise zur Verurteilung führten.

Tauss (politische) Karriere ist beendet. Sie war es schon, als die Ermittlungen aufgenommen wurden. Wie sehr er sich nun streckt, egal was bei einer Revision herauskommt: Er ist am Ende. Vielleicht wären er und sein Anwalt besser damit beraten, das Urteil zu akzeptieren und die Sache ruhen zu lassen. Fahrrad fahren um die Last des Prozesses abzulegen – keine schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass sein Name, seine Person nun im „Volks-Bild-Dumm-Mund“ fast ausschließlich mit dem des „pädophilen und schwulen Politikers der auf Buben steht“ in Verbindung gebracht wird. Wird es helfen? Nun, hoffentlich ihm, zur Ruhe zu kommen. Welche Motive auch immer er hatte, er war und ist ein Kämpfer der digitalen Welt, für die Rechte im Web, für die Freiheit der Daten.

Dieses Urteil überschattet seinen sehr positiver Kampf – auch den der Piratenpartei – nun komplett und, wie zu vermuten ist, sein restliches Leben lang. Schade Herr Tauss, aus welchen Intentionen auch immer, dass Sie mit dieser Nummer Ihre Ergebnisse UND die Aufmerksamkeit so derbe ins Aus lenkten. Dabei wäre es nur ein Gespräch gewesen, ein Gespräch mit einer Vertrauensperson, die hinterher hätte Ihre Rechercheabsichten bestätigen können.

Verbrechen, Vergehen, Parteiausschluss

§ 12 Verbrechen und Vergehen

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.
(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.
(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.


Die Piratenpartei indes distanziert sich nicht wirklich von Jörg Tauss. In der Pressemitteilung heißt es lediglich:

»Deshalb haben wir allen Grund, darauf vertrauen zu können, dass Jörg Tauss nun auch die richtige Entscheidung für sich und die Piratenpartei treffen wird, soweit es um seine weitere politische Zukunft geht.«

Daraus kann alles und nichts gelesen werden – aber im Groben wird Tauss der Austritt nahe gelegt. Er wurde nicht eines Verbrechens, sondern eines Vergehens schuldig gesprochen. Die Satzung der Piraten gibt einen Parteiausschluss aus solch einem Grund nicht her, nur bei Verlust der Wählbarkeit (die Wiederum nur bei einem Verbrechen verloren wird) – und ich denke, es gibt noch genügend Mitglieder die einem Austritt Tauss’s mit Bedauern begegnen würden. Ein Ausschlussverfahren würde wieder einmal mehr zu einer Zerreißprobe in der Partei führen, ein gefundenes Fressen für die Presse. Ein stillhalten der Füße jedoch kann genauso gut zum Ruf der „Verbrecherpartei, die Kinderschänder duldet“ führen – wohlgemerkt, nicht in meinen Augen, jedoch in den Augen eines Großteils der Bürger dieses Landes. Auch wenn Herr Tauss – und die Piratenpartei – nichts mit dem Vergewaltigen von Kindern zu tun haben, so setzen die meisten Menschen doch „Besitz kinderpornographischer Schriften“ mit „Kinderschänder“ gleich. Intentionen, Fakten – alles egal. Kinderschänder, Kinderschänder-Partei. Ich sehe die BILD-Schlagzeile quasi schon vor mir.

Wie auch immer Jörg Tauss und die Piratenpartei in dieser Angelegenheit weiter verfahren, das Thema ist noch lange nicht gegessen und wird mit Sicherheit noch den ein oder anderen Pressestaub aufwirbeln – wie immer bei solchen Themen, zu Ungunsten sämtlicher Beteiligter.

Update: Jörg Tauss hat seinen Austritt aus der Piratenpartei verkündet. Er ginge diesen Schritt um der politischen Arbeit, zum Beispiel an Infoständen, nicht mit seiner Vorbelastung im Wege zu stehen.

=> Pressemitteilung Piratenpartei Deutschland

Jörg Tauss nimmt so vielen Diskussionen – unter anderen den um seinen Ausschluss, Konsequenzen eines Verbleibs in der Partei usw. – den Wind sprichwörtlich aus den Segeln. Man weiß an dieser Stelle nur nicht ob man sich bedanken oder es bedauern soll – denn ich bleibe dabei: Diese Kinderporno-Geschichte, die er offenkundig aus einer Mischung von Dummheit, Naivität und Neugier begangen hat, sollte in k e i n e r Weise seine Errungenschaften im Bereich des „Internetrechts“ schmälern.

5 Gedanken zu „[Update 30.05.10] Tauss verurteilt – Mein [ausführlicher] Kommentar

  1. Dein Bericht spricht mir aus der Seele. Ich hoffe Tauss ist so vernünftigt und zieht sich aus der Politik und aus der Piratenpartei zurück. Das mag nicht unbedingt fair sein, aber ich möchte gerne mich wieder aufs Politik machen konzentriern.

    Uwe Abel

  2. Ein richtig intelligenter Artikel ohne tendenzieller Beeinflussung! Da kann sich Herr Flachshaar ein Beispiel dran nehmen!

  3. Endlich mal eine vernünftige Betrachtung des Falles aus der Sicht eines Piraten. Da Tauss wegen der privaten Nutzung von Kinderpornos (was mag das wohl sein?) verurteilt wurde, muss die Partei handeln.

    Dennoch gibt es immer noch genug Verrückte in der Piratenpartei, die unwiderruflich an die völlige Unschuld des St. Tauss glauben. Es wird ein schwieriger Akt werden, Tauss loszuwerden – das Beste wäre tatsächlich, wenn er freiwillig ginge.

    Normalerweise müsste sich die Piratenpartei auch bei der „völlig durchgeknallten Staatsanwaltschaft“ (Zitat Tauss) für die zu Unrecht erhobenen Vorwürfe in diversen Pressemitteilungen entschuldigen.

    1. Das „loswerden“ gibt die Satzung nicht her, so lange er sich nicht absolut schädigend für die Partei verhalten hat. Genau diese „Schädigung“ versucht er ja immer wieder, indem er sagt, „lasst die PP da raus“, einzugrenzen bzw. abzuwenden. Es ist nicht so einfach wie es aussieht. Außerdem halte auch ich nichts davon, unliebsame Mitglieder (aus welchen Gründen auch immer) „loszuwerden“. Entweder gibt das die Satzung her – oder wie hier eben nicht. Da kann man nicht viel machen..

Kommentare sind geschlossen.